Konfetti für die Augen ist am nächsten Tag das fast südländisch wirkende Kallmünz. Am Zusammenfluss von Naab und Vils drängen sich knallbunte Häuser unterhalb eines 100 Meter hohen Kalkfelsens ans Ufer, über allem schwebt eine Burgruine. Anfang des 20. Jahrhunderts pilgerten viele Künstler nach Kallmünz, unter ihnen Wassily Kandinsky, heute gibt es noch viele Galerien und Ateliers im Ort.
Kunstausstellungen und dazu exzellentes Essen, das haben die Wirtsleute Luber im »Goldenen Löwen« miteinander verbunden. Heute leitet Tochter Franziska zusammen mit ihrem Mann den Betrieb, der nun ein Brauereigasthof mit Hofladen und einem märchenhaften Innenhof ist. Blumen wachsen aus alten Fässern, Skulpturen stehen neben Kräutern, Blüten rieseln auf das in Jahrhunderten krumm getretene Kopfsteinpflaster. »450 Jahre alt ist unser Haus«, erzählt Franziska Luber. »Ich leite es in sechster und in vierter weiblicher Generation.« Selbstbewusst ist sie, es anders machen und trotzdem Altbewährtes bewahren will sie. Biobier und eine eigene Destillerie gehören für sie dazu, genau wie die Rückkehr zum zünftigen Beisammensein. »Wir brauchen keinen Schnickschnack, sondern ein Wirtshaus ohne Tischdecken, wo alle beieinander hocken können.« Volltätowierte Hipster neben Familien, Stammtischgruppen und Jagdhornbläsern.
Das mit dem Beieinanderhocken ist in Pandemiezeiten eher selten auf dieser Tour durch Mittelfranken und die Oberpfalz. Das Wasser ist einer der Hauptdarsteller und der Weg entlang seiner Ufer oft einsam. Aus manchen Flüssen wie der Naab glaube ich trinken zu können, so sauber scheint das Wasser. Andere wie die Donau wälzen sich wie ein großes graubraunes Band kilometerlang vorbei oder umspülen bei Kehlheim steile Felsen, die Klösterl, Eidechse oder Napoleons Reisekoffer heißen, den soll dieser hier vergessen haben. Am Ludwig-Donau-Main-Kanal winke ich Kanufahrern zu, im Altmühltal halte ich alle paar Meter, um einen Apfel von einer Streuobstwiese zu pflücken oder einen Obstbrand zu kosten, den ein Bauer in einem kleinen Verschlag am Rand des Radwegs anbietet. Ich schneide eine Sonnenblume ab, die über einen alten Staketenzaun ragt. Am Ludwigskanal radle ich auf alten Treidelwegen, auf denen Menschen oder Zugtiere früher Frachtkähne zogen. An der Vils suche ich an einer der vielen Karstquellen nach dem Bachflohkrebs, fotografiere einen goldglänzenden Jesus am Eisenkreuz, der aus einem Gebüsch ragt, und mache Pause in einem ehemaligen Bahnhof. Im »Radlbahnhof Theuern«, einem alten Schmuckstück mit Kiosk, Tischen und Stühlen, gibt es Getränke und Radfahrer, die mich am Tag zuvor überholt haben. Funktionskleidung, Wasserflaschen am Lenker, Rucksack mit Proviant – ich fühle mich etwas bescheiden ausgestattet neben all den Sportlern und strammen Waden, auch körperlich. Aber schon wird mir eine Birne, ein hart gekochtes Ei angeboten, ein Müsliriegel. Die meisten fahren die gleiche Runde wie ich. Ich fachsimple mit zwei Husumern, die seit Jahren in Bayern leben, wo es schöner ist. Im lieblichen Süden, finden sie, nicht in der steifen Brise des Nordens. »Wohin wollen Sie heute noch?«, fragen sie. »Nach Schmidmühlen.« – »Dann sieht man sich.«