Brigitte Woman: Reise Bayern

Fünf-Flüsse-Radweg: »Im Wasserland«


Autorin: Beatrix Gerstberger
Fotografie: Sebastian Lock
Der Fünf-Flüsse-Radweg führt durch ein Wimmelbild aus Klöstern, Kirchen, denkmalgeschützten Wirtshäusern und zauberhaften Städtchen. Beatrix Gerstberger, erprobte Flachlandradlerin, wagte sich auf dem E-Bike an die Hügel im Nordosten Bayerns – und wurde reich belohnt.

Ankommen, abschnauben, geniessen

Am ersten Abend meiner Reise durch Bayern sitze ich mit hochrotem Kopf und schweißnassen Haaren in Sulzbach-Rosenberg vor einem großen selbst gebrauten Bier. Das Abendlicht legt sich rosig auf die pastellfarbenen, prächtigen Bürgerhäuser gegenüber der Hotelterrasse, vor mir steht ein Oberpfälzer Schäuferl, eine Schweineschulter mit knackig-knuspriger Haut, dazu ein paar Semmelknödel, und fast schon ist das Tief vor drei Stunden vergessen. Verzweifelt hockte ich sieben Kilometer vor Sulzbach am Feldrand neben einer mild lächelnden, kindsgroßen Marienfigur. Es war der Moment, in dem ich mich fragte, wie ich als Flachlandradlerin glauben konnte, mit einem E-Bike die bayerischen Hügel bezwingen zu können. 322 Kilometer in sechs Tagen, 43 bis 64 pro Etappe, das Gepäck wird von Station zu Station transportiert, das klang nach einer gemütlichen Tour. Noch dazu mit tollen Ausblicken: immer am Wasser entlang durch die romantischen Flusstäler der Donau, Naab, Vils, Altmühl und Pegnitz. Nun stand ich da, hatte naiv die Leistungskraft meines Akkus bis zum letzten Strich ausgenutzt, schaute auf Sulzbach mit dem mächtigen Wittelsbacher Schloss, das noch ziemlich weit weg und ziemlich weit oben auf einem Berg lag, und auf ein E-Bike, das ohne Akku nur sehr schwer zu schieben ist. Der Wirt des »Hotels Sperber Bräu« hatte das alles bei meiner Ankunft mit einem einzigen Blick erfasst und mir sofort ein großes Helles rüber geschoben. »Ankommen, abschnauben und erst mal genießen«, grinste er.
Bildbeschreibung: Kallmünz in der Oberpfalz wirkt mit seinen bunten Häusern, den vielen Galerien und der silbrig glitzernden Naab fast südländisch.
Als ich in Nürnberg zur ersten Etappe aufbreche, ist der Wind frisch, es regnet leicht. Am Lenker klemmt mein GPS-Gerät, ich rausche vorbei an alten Villen in üppig grünen Gärten. Nach zehn Minuten bin ich auf dem Fünf-Flüsse-Radweg, neben mir plätschert die Pegnitz. Der Weg, der im Mittelalter als »Goldene Straße« bezeichnet wurde und einer der wichtigsten europäischen Handelswege war, ist flach, mein Tempo gut. Menschen mit Hunden joggen mir entgegen, ein Bademeister sitzt verträumt am menschenleeren Becken eines Naturbades. Die Orte wechseln quasi im Vorbeifliegen, ich fahre durch Neubausiedlungen, über Marktplätze mit lachsund karmesinroten jahrhundertealten Häusern, die sich mir leicht schief entgegenneigen. Meist ist es so ruhig, als sei hier jeder Tag ein Sonntag. Lange begleitet mich eine Eisenbahnlinie, kleine, bescheidene Häuser stehen an ihrem Rand, langsam verliert sich der Protz der kopfsteingepflasterten Flaniermeilen der stolzen Handelsstadt Nürnberg. In Lauf bin ich dann mittendrin im ersten Staunen. Ich sitze auf einer Bank im Zentrum an der Pegnitz, vor mir eine lauschige Mühle mit Biergarten, weiß strahlende, blumengeschmückte Fachwerkhäuser, Tortürme und verwinkelte Gassen – ein Anblick, der den abgegriffenen Ausdruck »malerisch« wirklich verdient. In einem Brunnen neben mir fließt Wasser aus einer Figur, eine Frau wäscht einen der Äpfel, den sie auf dem Markt gegenüber gekauft hat, die rot-weiß gestreiften Dächer der Stände glänzen in der Sonne, die endlich durch die Wolken bricht. Es ist ein einziges Idylle-Wimmelbild – so sollte es bleiben auf dieser Reise. Jedes Mal, wenn ich denke, mehr blank geputzte und geranienbehängte Behaglichkeit geht nicht mehr, fahre ich in ein Städtchen ein, das noch hübscher zu sein scheint als das letzte. Amberg zum Beispiel, mit seinen Stadtmauern am Fluss, dem Wochenmarkt zwischen Basilika und dem gotischen Rathaus. Für einen kurzen Moment sitze ich im kühlen Innern der Kirche, jemand spielt Orgel, es ist ein ruhiger Moment, bevor es weitergeht an der Vils entlang. 20 Kilometer fahre ich auf einer ehemaligen Bahntrasse unter Alleebäumen, ich springe zwischendurch mit den Beinen in die kleinen mit Wasserpflanzen überwucherten Weiher.

Konfetti für die Augen ist am nächsten Tag das fast südländisch wirkende Kallmünz. Am Zusammenfluss von Naab und Vils drängen sich knallbunte Häuser unterhalb eines 100 Meter hohen Kalkfelsens ans Ufer, über allem schwebt eine Burgruine. Anfang des 20. Jahrhunderts pilgerten viele Künstler nach Kallmünz, unter ihnen Wassily Kandinsky, heute gibt es noch viele Galerien und Ateliers im Ort.

Kunstausstellungen und dazu exzellentes Essen, das haben die Wirtsleute Luber im »Goldenen Löwen« miteinander verbunden. Heute leitet Tochter Franziska zusammen mit ihrem Mann den Betrieb, der nun ein Brauereigasthof mit Hofladen und einem märchenhaften Innenhof ist. Blumen wachsen aus alten Fässern, Skulpturen stehen neben Kräutern, Blüten rieseln auf das in Jahrhunderten krumm getretene Kopfsteinpflaster. »450 Jahre alt ist unser Haus«, erzählt Franziska Luber. »Ich leite es in sechster und in vierter weiblicher Generation.« Selbstbewusst ist sie, es anders machen und trotzdem Altbewährtes bewahren will sie. Biobier und eine eigene Destillerie gehören für sie dazu, genau wie die Rückkehr zum zünftigen Beisammensein. »Wir brauchen keinen Schnickschnack, sondern ein Wirtshaus ohne Tischdecken, wo alle beieinander hocken können.« Volltätowierte Hipster neben Familien, Stammtischgruppen und Jagdhornbläsern.

Das mit dem Beieinanderhocken ist in Pandemiezeiten eher selten auf dieser Tour durch Mittelfranken und die Oberpfalz. Das Wasser ist einer der Hauptdarsteller und der Weg entlang seiner Ufer oft einsam. Aus manchen Flüssen wie der Naab glaube ich trinken zu können, so sauber scheint das Wasser. Andere wie die Donau wälzen sich wie ein großes graubraunes Band kilometerlang vorbei oder umspülen bei Kehlheim steile Felsen, die Klösterl, Eidechse oder Napoleons Reisekoffer heißen, den soll dieser hier vergessen haben. Am Ludwig-Donau-Main-Kanal winke ich Kanufahrern zu, im Altmühltal halte ich alle paar Meter, um einen Apfel von einer Streuobstwiese zu pflücken oder einen Obstbrand zu kosten, den ein Bauer in einem kleinen Verschlag am Rand des Radwegs anbietet. Ich schneide eine Sonnenblume ab, die über einen alten Staketenzaun ragt. Am Ludwigskanal radle ich auf alten Treidelwegen, auf denen Menschen oder Zugtiere früher Frachtkähne zogen. An der Vils suche ich an einer der vielen Karstquellen nach dem Bachflohkrebs, fotografiere einen goldglänzenden Jesus am Eisenkreuz, der aus einem Gebüsch ragt, und mache Pause in einem ehemaligen Bahnhof. Im »Radlbahnhof Theuern«, einem alten Schmuckstück mit Kiosk, Tischen und Stühlen, gibt es Getränke und Radfahrer, die mich am Tag zuvor überholt haben. Funktionskleidung, Wasserflaschen am Lenker, Rucksack mit Proviant – ich fühle mich etwas bescheiden ausgestattet neben all den Sportlern und strammen Waden, auch körperlich. Aber schon wird mir eine Birne, ein hart gekochtes Ei angeboten, ein Müsliriegel. Die meisten fahren die gleiche Runde wie ich. Ich fachsimple mit zwei Husumern, die seit Jahren in Bayern leben, wo es schöner ist. Im lieblichen Süden, finden sie, nicht in der steifen Brise des Nordens. »Wohin wollen Sie heute noch?«, fragen sie. »Nach Schmidmühlen.« – »Dann sieht man sich.«

Bildbeschreibung: Kallmünz in der Oberpfalz wirkt mit seinen bunten Häusern, den vielen Galerien und der silbrig glitzernden Naab fast südländisch.
Magazine, Fernsehen & Radio

Bekannt aus

Kooperationen

Wir sind Teil von

Sperber Bräu
HotelGasthofBrauerei
Seit 1894 haben wir – die Familie Sperber – uns dem Brauerhandwerk verschrieben und pflegen unsere traditionelle Braukunst mit direkt befeuerten Kupferkessel. Inmitten der historischen Altstadt von Sulzbach-Rosenberg brauen wir in der fünften Familiengeneration unser Bier nach den Vorgaben des bayerischen Reinheitsgebots aus dem Jahr 1516. Unsere Leidenschaft für die Braukunst ist unverändert und wir setzen uns täglich dafür ein, unseren Kunden ein einzigartiges Geschmackserlebnis zu bieten.